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Überreizt

Ein Kommentar von Tobias Schulz

Edmund Stoibers Zeit als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Landeschef ist abgelaufen. Vielleicht kann er es schaffen, sich noch einige Zeit im Amt zu halten, eine erneute Kandidatur bei der Landtagswahl 2008 wird es aber sicher nicht mehr geben - die Ära des unantastbaren Landesfürsten Stoiber ist definitiv zu Ende.

Dieser Macht- und Ansehensverlust in Partei und Bevölkerung kam allerdings nicht über Nacht, er ist das Ergebnis einer Reihe von Fehlleistungen Stoibers, die für viel Mißstimmung und Ärger in der Partei gesorgt haben.

Den Anfang von Stoibers Niedergang markierte sein plötzlicher Rückzieher aus Berlin. Der designierte Superminister zog es vor, doch lieber in Bayern zu bleiben - eine nachvollziehbare und fundierte Begründung dafür hat er bis heute nicht geliefert. Vielleicht dachte er sich auch, daß ein mit einer Zweidrittelmehrheit gewählter Landesfürst sich nicht zu rechtfertigen brauche. Seine beiden möglichen Nachfolger als Ministerpräsident, Beckstein und Huber, hatten sich im Konkurrenzkampf um diesen Posten schon mächtig ins Zeug gelegt und standen plötzlich da wie begossene Pudel - ziemlich demoliert und ohne irgendetwas erreicht zu haben.

Dieses Verhalten Stoibers sorgte in der ganzen CSU für großen Unmut, Stoiber wurde vor die Landtagsfraktion zitiert und mußte sich dort rechtfertigen. Er schaffte es wohl, den Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen, jedoch vermochte er es offensichtlich nicht, die Stimmung dauerhauft wieder zu seinen Gunsten zu drehen.

Mißstimmung und Verärgerung über dieses Verhalten des CSU-Chefs legten sich nicht, sie schwelten die ganze Zeit weiter, was Edmund Stoiber entweder nicht registrierte oder ignorierte. Er führte seinen Zick-Zack-Kurs jedenfalls munter weiter: So verhandelte er z.B. als CSU-Chef die Eckpunkte der Gesundheitsreform im Koalitionsausschuß, nur um dann in seiner Funktion als Ministerpräsident diese von ihm selbst mitbeschlossene Reform wieder zu torpedieren.

Er legte ein Verhalten an den Tag, das selbst die unkritischsten Stoiber-Fans nicht mehr verstehen konnten, und das sowieso schon schlechte Klima verschlechterte sich ständig weiter. Es bedurfte nur noch eines kleinen Funkens, um diese gefährliche Mischung zur Explosion zu bringen.

Dieser Funke ließ nicht lange auf sich warten, er kam in Gestalt der Fürther Landrätin Gabriele Pauli, einer - mit aller Vorsicht zu genießenden - CSU-Politikerin, die sich schon länger als parteiinterne Stoiberkritikerin zu profilieren versucht hatte und mit ihren Spitzelvorwürfen nun diese Explosion auslöste, die die CSU in ihren Grundfesten erschütterte. Empörung und Ärger über diese undemokratischen und schmutzigen Methoden machten sich breit, es entwickelte sich nun eine Eigendynamik, gegen die Stoiber nichts mehr unternehmen konnte, die Entlassung seines Büroleiters als dem vermeintlich Hauptschuldigen an der Spitzelaffäre verpuffte wirkungslos, Stoiber hatte einfach überreizt.

Er geriet jetzt in einen Teufelskreis aus miserablen Meinungsumfragen und Rücktrittsspekulationen in der Presse, die CSU sackte in der Wählergunst gar unter die so wichtige 50-Prozent-Marke ab, und spätestens jetzt war für viele in der Partei die Zeit gekommen, durchzugreifen und Stoiber zum Rücktritt zu bewegen.

Daß Edmund Stoiber die ständig wachsende Stimmung gegen ihn nicht wahrnahm oder vielleicht sogar ignorierte, spricht dafür, daß er seinen politischen Instinkt und den Bezug zur Realität zumindest teilweise verloren hat. Hier findet sich Stoiber in einer langen Reihe anderer ehemaliger Poltiker wie z.B. Adenauer, Kohl oder Schröder wieder, denen dieser Realitätsverlust am Ende ihrer Laufbahn zum Verhängnis geworden ist. Hervorragende Wahlergebnisse sind zwar etwas Schönes, sie bergen aber immer die Gefahr in sich, daß der mit so viel Zuspruch ausgestatte Politiker irgedwann den Boden unter den Füßen und den Kontakt zur Wirklichkeit verliert.

Vielleicht sollten sich die bayerischen Wähler überlegen, ob sie einen Ministerpräsidenten noch einmal mit einer Zweidrittelmehrheit ausstatten wollen.